Das alte Fahrrad ist ihr als letzter Luxus geblieben. Vom Maintaler Stadtteil Bischofsheim fährt Bärbel J. (Name geändert) gerne spazieren, etwa ins nahe Frankfurt.
„Ich fahre immer noch gerne mit dem Rad, fast täglich, wenn es nicht regnet“, sagt die 77-Jährige. Armut im Alter konnte sich J. früher nicht vorstellen. Sie lebt heute von einer kleinen Rente, die gerade für die Miete reicht. Bärbel J. benötigt zusätzlich die Grundsicherung, um über die Runden zu kommen.
Bärbel J. kam als kleines Kind mit ihrer Familie nach dem Krieg als Vertriebene aus Polen nach Würzburg. Dort lernte sie ihren Mann kennen. Die Ehe blieb kinderlos. „Er hatte ein Bauunternehmen“, sagt die Seniorin. „Als 1985 große Auftraggeber plötzlich nicht mehr zahlen konnten, hatten wir alles verloren“, erzählt sie. Eine zweite Chance gab das Schicksal dem Ehepaar nicht. „Mein Mann ist früh verstorben. Er war am Firmenruin zerbrochen“, sagt Bärbel J.
In ihren alten Lehrberuf Zahnarzthelferin, den sie neun Jahre vor der Ehe halbtags ausgeübt hatte, konnte sie keinen Wiedereinstieg finden. Bei einer Spedition bekam J. eine Beschäftigung im Büro. „Elf Jahre war ich dort angestellt, dann wurde der Betrieb personell verjüngt und mir haben sie nahegelegt, besser zu gehen“, sagt Bärbel J. Sie sei damals 60 Jahre alt gewesen, ein aussichtsloses Alter, um noch einmal eine Anstellung zu bekommen. „Damals konnte man mit 60 noch in Frührente gehen, das habe ich dann auch gemacht“, sagt J.
Dann kam der Umzug nach Hessen. Ihr Mann war bereits gestorben. Das wenige Gesparte schmolz schnell dahin. „Das Auto habe ich bald abgegeben und fahre seitdem nur mit dem Bus oder dem Fahrrad. Ich bin ein armer Mensch geworden“, stellt sie ohne Verbitterung fest.
Im Grunde sei sie dennoch zufrieden mit ihrem jetzigen Leben. Einfach sei es bis dahin nicht gewesen. „Ich habe drei Jahre gebraucht, um zu lernen, mit wenig Geld auszukommen“, sagt J. Sie sei nun schuldenfrei, und etwas bleibe für ihr Hobby Handarbeit noch übrig. Die Tasse Kaffee unterwegs muss sie sich jedoch verwehren. „Wenn ich draußen bin, habe ich in der Regel drei, vier Euro im Portemonnaie“, bemerkt sie.
Was nicht für die festen Kosten wie Miete, Strom, Telefon und Essen ausgegeben wird, muss sie seit vier Jahren zum Teil in Medikamente stecken. Jedoch nicht deswegen konnte sich die Rentnerin im vergangenen Monat keine „Extras“ leisten. Die Hausratversicherung war fällig, 75 Euro, das Bankkonto entsprechend überzogen. „Jetzt zahle ich das Geld in 15-Euro-Schritten Monat für Monat zurück“, sagt Bärbel J.
Ohne die Spende der FR-Altenhilfe wäre die Armut für sie bedrückender, sagt die Seniorin. Was sie sich von dem Geld leisten wird, steht bereits fest: Kleidung und ein Paar Schuhe seien wieder mal fällig. Detlef Sundermann