Für Roman J. ging es früher hoch hinaus. 40 bis 50 Meter über dem Boden bewegte er sich als Hochseilartist.
Dort, wo er auftrat, wurde von einem Mast bis zum Kirchturm ein dünnes Drahtseil gespannt, das J. mit einem Motorrad befuhr. „Ich habe dort oben halt gearbeitet“ , sagt der 65-Jährige.
Von Kind auf hat er dieses Leben im Schaustellergeschäft kennengelernt. Schon die Mutter hing im Zirkus am Trapez. Mit seiner Schaustellergruppe war J. im Süden Deutschlands unterwegs, aber auch in Spanien und Italien, berichtet er. „Als ich einen kleinen Unfall hatte, habe ich mich nicht mehr hochgetraut“ , sagt er und weiter: „Dann kam eins zum anderen.“ Es folgten ein Bandscheibenvorfall und eine Darmoperation.
Der Schock dann vor 20 Jahren: „Über Nacht ist meine Frau verstorben, kerngesund.“. Das habe ihm „einen totalen Knacks“ versetzt. „Ich war so weit, dass ich mich schon umbringen wollte“ , erzählt J. mit leiser Stimme. Viereinhalb Jahre sei er in Psychotherapie gewesen, habe Antidepressiva geschluckt. Seine beiden Söhne und deren Familien hätten ihm Kraft zum Weiterleben gegeben. „Aber wenn die Kinder selbst Familie haben, müssen sie selber kämpfen“ , sagt J.
Den Tod seiner Frau habe er heute gut überstanden. „Aber auf die Beine bin ich seitdem gar nicht mehr gekommen.“ Was blieb, war die Armut. „Ich lebe praktisch von Grundsicherung, war selbstständig und habe nie in die Rentenkasse eingezahlt“ , so J. Im Nachhinein hätte er vieles anders gemacht, aber das nütze nun nichts mehr, meint er nachdenklich.
Zur Geldnot kamen weitere gesundheitliche Probleme: mit den Jahren entzündliches Rheuma, bei dem Hände und Füße anschwellen. Dann kamen Diabetes dazu und Übergewicht. Für seine Arbeit am Hochseil musste der ehemalige Artist körperlich auf der Höhe sein, nach dem Unfall ging es damit bergab. „Ich war immer topfit, auf einmal ist man ein Wrack“ , sagt Roman J.
Etwas aufgefangen hat ihn die FR-Altenhilfe. „Eine ganz tolle Einrichtung.“ Letzte Ostern habe er erstmals 350 Euro bekommen. So viel bleiben sonst monatlich zum Leben. Davon hat er im Bad seiner kleinen Einzimmerwohnung die Silikonfugen erneuern lassen. Daneben hat er die „Kühltruhe gefüllt“ und sich „etwas Garderobe“ geleistet, ein Hemd, eine Hose, beides im Sonderangebot.
Nach langer Zeit habe seine einzige Urenkelin mal wieder Geschenke bekommen: ein Kleid und ein paar Puppen. Mit dem Geld zu Weihnachten will er auch wieder Kleidung kaufen. „Gefütterte Winterschuhe“ brauche er. „Wenn Angebote da sind“ , so Roman J. Clemens Dörrenberg