Wenn Emilio C. helfen kann, ist er in seinem Element. Die Freunde unterstützt er bei behördlichen Angelegenheiten, für die kranken Nachbarn erledigt er die Einkäufe. „Ich bin ja fit“, sagt der aus Sizilien stammende Mann – seine chronische Herzschwäche erwähnt der 75-Jährige nur am Rande.
Seit elf Jahren befindet sich der ehemalige Gastronom in prekären Verhältnissen. Die Kosten für seine 45 Quadratmeter große Mietswohnung in Wiesbaden übernimmt mittlerweile das Sozialamt, auch eine Grundsicherung wird ausbezahlt. „Mir bleiben monatlich 180 Euro netto.“
Dennoch herrscht keine Trübsal, nach einem „anfänglichen Schock“ habe sich Zufriedenheit eingestellt. „Wenn ich an die verhungernden Kinder in Afrika denke, verbietet sich jedes Klagen“, so der Senior, dem das tägliche Spazierengehen, das Lesen und Musik hören ein Quell der Freude sind.
Der Erwerb von Kleidung oder Elektrogeräten sei unmöglich, eine pure Vision. „Es reicht nur zum Essen.“ Da er gerne kocht, werden neue Kreationen erfunden, wird mit dem Wenigen experimentiert. „Die Kartoffel bietet da ungeahnte Möglichkeiten.“
Kreativität, die auf festen Fundamenten steht. Emilio C. war zeit seines Lebens im gastronomischen Gewerbe tätig, hat in Italien zuerst im Angestelltenverhältnis gearbeitet, sich später in Deutschland mit zwei Pizzalokalen selbstständig gemacht. „In Wiesbaden lebe ich seit 32 Jahren.“
Hier hat der vitale Gastwirt nach erfolgreichen Zeiten auch den drastischen Absturz erleben müssen. Der Vater stirbt, die Schwester wird krank, er selbst muss in ärztliche Obhut: „Das Geschäft ist dabei untergegangen.“ In einem Jahr verliert er jeden finanziellen Rückhalt.
„An die Rente habe ich nie gedacht, hatte nur eine Lebensversicherung.“ Was er heute als „Fehler“ empfindet, mündet in der Altersarmut. Dem Gedanken an das Lebensende geht er nicht aus dem Weg. „Das ist für mich als alleinstehender Mensch zu einem Thema geworden.“ Nach dem Tod wolle er nichts Besonderes – „am liebsten im Wald unter einem Baum, ganz friedlich“.
Die Zuwendungen der Altenhilfe sind ihm „allerwichtigste Hilfen“. Auch für die Psyche sei die Unterstützung eine Wohltat: „Man hat das Gefühl, nicht alleine zu sein!“ Endlich könne er sich für die vielen Einladungen seiner Freunde einmal revanchieren, sich mit einem Weihnachtskuchen bedanken.
Einen Traum hegt er trotz aller Einschränkungen: „Den Koffer packen und für eine Woche mal raus aus den eigenen vier Wänden.“
Der Advent ist willkommen. Die Wohnung soll mit Engeln und Kugeln, „einem ganz kleinen Baum“ geschmückt werden. Wie immer wird Emilio C. Grußkärtchen an die Nachbarn verteilen, alles Gute zu Christfest und Jahreswechsel wünschen. Olaf Velte