Es bleiben 50 Euro wöchentlich, um über die Runden zu kommen. „Wenn nichts dazwischenkommt“, sagt Theo U, der einst in der Frankfurter Musikszene so bekannt war.
Seit einigen Jahren lebt der 71-Jährige in einer im Frankfurter Ostend gelegenen Altenwohnanlage, wo er sich noch weitgehend selbst versorgt und auf die Unterstützung von Sozialamt und Altenhilfe angewiesen ist. Aus dem einst umschwärmt-populären Musiker ist mittlerweile ein Einzelgänger geworden: „Keine familiären Bindungen, alle Kontakte abgebrochen.“
Im Einpersonenhaushalt von Theo U. dient jeder Cent der Nahrungsmittelversorgung – „falls ich Kleidung brauche, wird es eng“. Längst hat sich der fest in Frankfurt Verwurzelte von allem verabschiedet, was ihm früher lieb und teuer war. Sehr gut habe er verdient, schwungvoll gelebt – aber nichts für das Alter zurückgelegt. Dass der gelernte Bäcker die regionale Musikszene über Jahrzehnte geprägt hat, ist heute in Vergessenheit geraten.
Als Bub vom Riederwald steht er der Eintracht glühend nahe, ist im Meisterschaftsjahr 1959 regelmäßig „draußen im Stadion“, wo das Taschengeld mit dem Einsammeln leerer Flaschen finanziert wird. Klar, dass bis zum 16. Lebensjahr in der Jugendabteilung der SG Riederwald gekickt wird. „Danach“ , so Theo U., „habe ich Interesse am Nachtleben gefunden.“
Es sind die frühen Sechziger, in der abendlichen Stadt prägen amerikanische Soldaten die Szenerie, Tanzschwof wandelt sich in Discoraserei. Aus dem Weißbindersohn wird ein gefragter Discjockey mit Soul- und Beat-Vorlieben. „Los ging es in der Weserstraße, im Club 65.“ Es folgen Engagements für die Tanzböden im „Saint Germain“ und im „Zoom“ , dem späteren „Sinkkasten“ (heute hat das „Zoom“ wieder seinen ursprünglichen Namen). Er bespielt schließlich alle Diskotheken der Stadt.
Der Nachtaktive – „bis vier Uhr früh, jeder Set mit 100 bis 200 Mark honoriert“ – erfindet das ansagenlose Auflegen, lässt dem Groove freie Bahn. Bis 1975. Mit der dann einsetzenden Disco-Musik kommt der Beat-Liebhaber nicht zurecht, tauscht Plattenspieler gegen Gitarre und Trommelstock. Theo U. leitet eine Band, komponiert und setzt Softrock-Akzente im ganzen Umland.
Anfang des neuen Jahrtausends werden die Auftrittsmöglichkeiten weniger, der Rastlose tingelt im Akustik-Duo durch die Welt der Populärmusik. Zwei Ehen sind da bereits gescheitert. „Zwischen 2000 und 2008 habe ich als Roadie in Frankfurt gearbeitet, Bühnen aufgebaut für die Stones und die Who und viele andere.“ Er verletzt sich, wird an der Bandscheibe operiert, kann den Beruf im Musikgeschäft an den Nagel hängen.
Für einige Jahre macht der vormals rundum bekannte DJ noch Internetradio, dann ist die Abkehr endgültig besiegelt. „Ich höre kaum noch Musik – das Neue gefällt mir nicht.“ Heute ist ihm die Altenhilfe das Wichtigste. „Von der Zuwendung werde ich mir als Weihnachtsgabe 2020 eine dringend notwendige Matratze zulegen.“ Was von der geschichtsträchtigen Frankfurter Musikvergangenheit geblieben ist? „Erinnerungen“ , so Theo U. – und: „Meine Güte, was könnte ich alles erzählen!“ Olaf Velte