„Die beiden vergangenen Jahre waren eine Katastrophe“, sagt Ellen S. aus Wiesbaden. Gestrichene Zulagen, Nachzahlungen und „nun die Teuerung“ haben ihre finanzielle Situation deutlich verschärft.
„Mir bleiben derzeit 30 Euro für die Woche.“ Nach 46 Berufsjahren sei dies durchaus beschämend. Zwar konnte die 68-Jährige vor zwei Jahren in eine Seniorenwohnanlage umziehen, doch eine angekündigte Mieterhöhung bereitet ihr Sorgen.
Zu ihrer Altersrente von 791 Euro addiert sich noch die Grundsicherung – auf der Sollseite steht neben den laufenden Kosten die 388-Euro-Miete für 43 Quadratmeter Wohnraum. Verfügbares Geld dient gänzlich der täglichen Ernährung, eingekauft wird „das Billigste beim billigsten Händler“. Eine neue Hose, so die Frau, könne sie sich seit Jahren nicht mehr leisten.
Noch organisiert Ellen S. ihr Dasein selbstständig, verbringt aber immer mehr Stunden in Arztpraxen: „Schilddrüse, Diabetes, Lymphe.“ Längst ist ihre kinderlos gebliebene Ehe nur noch als Erinnerung präsent, sind soziale Kontakte auf ein Minimum geschrumpft. Ein verbliebener Bekannter habe ihr vor kurzem 50 Euro geliehen.
„Mir war es wichtig, immer zu arbeiten“, sagt Ellen S., deren Berufslaufbahn voller Wendungen und Wechsel ist, aber fast ohne Auszeiten. Geboren im Wiesbadener Stadtteil Sonnenberg, absolviert Ellen S. zuerst die Hauptschule und eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Nach zwei Jahren wechselt sie in die Verwaltung des Finanzamtes, wo sie Ansehen genießt, aber gelangweilt ist.
„Dann habe ich kurzerhand alle Schulabschlüsse nachgeholt und Sozialwesen studiert.“ Dass sie nebenher in einem Altenpflegeheim jobbt, sei für sie selbstverständlich gewesen.
Ab dem Beginn der 90er Jahre ist sie sozialpädagogisch in verschiedenen Einrichtungen aktiv, muss jedoch oft mit halben oder befristeten Stellen vorlieb nehmen. Sie pflegt ihre kranken Eltern, geht zuweilen auch putzen. „Mit 60 war ich schließlich krank und erschöpft.“
Aus den früheren Zeiten ist wenig geblieben. Gerne sei sie stundenlang am Rheinufer spazieren gegangen, habe 17 Jahre lang eine Katze gehabt, die ihr ans Herz gewachsen sei. „Aus körperlichen und finanziellen Gründen ist dies alles nicht mehr möglich.“
Trotz Verzweiflung und Bedrängnis will sich die 68-Jährige nicht unterkriegen lassen, hat sich den „Blick nach vorne“ verordnet. Ein großes Glück ist für sie die regelmäßige Unterstützung der Altenhilfe. „Ach, ohne die ginge es ja gar nicht!“
Mit der aktuellen Zuwendung soll ein Friseurtermin – „endlich nach vielen Monaten“ – möglich werden, zudem der Kauf eines „kleinen Adventskranzes“.
„Ich habe immer gerne zu Weihnachten dekoriert“, sagt die Frau, die weiterhin regen Anteil am politischen Geschehen nimmt und dabei zuweilen ärgerlich wird. „Es ist mehr als entwürdigend, wenn ein volles Berufsleben am Ende nicht zur gesellschaftlichen Teilhabe reicht.“ Olaf Velte