Klagen würde sie nie über falsche Entscheidungen an so mancher Kreuzung des Lebens. Heidi B. ist immer ihren Weg gegangen, wie sie ihn eben gehen musste.
Das hat sich meist unterwegs ergeben, was soll man da machen, sagt sie. Wenn man sowieso weiß, dass sich alles irgendwie ausgleichen wird. „Ja, ich habe gelebt, gut gelebt, alles gehabt, was man sich wünscht“, sagt sie heute mit ihren 82 Jahren.
Tief drinnen weiß sie, dass sie genau dieses bewegte Leben mit allen Höhen und Tiefen immer gewollt und gebraucht hat. In Berlin ist das Kriegskind aufgewachsen. Der Vater stirbt an der Ostfront, die Mutter zieht’s nach Bad Godesberg, sie arbeitet als Putzfrau, Heidi B. wächst bei der Oma auf. Spielt in Trümmern, bis die Mutter sie mit elf Jahren „nach Bad Godesberg holt“.
Irgendwann verschlägt es sie nach Frankfurt. Viel liegt im Dunkel der Vergangenheit vergraben, „aber Frankfurt hat mir immer Glück gebracht“. Mit 21 Jahren lernt sie ihren Mann kennen, zur Hochzeit bringt er nicht mal Blumen mit. „Der Herr Diplom-Ingenieur wusste nicht, dass man da Blumen braucht.“ Nach sieben Jahren ist die Ehe vorbei.
„Ich hab den nie geliebt“, sagt Heidi B. und spricht von einer Fehlentscheidung. Einmal war sie schwanger; er stritt ab, der Vater zu sein; sie ging zu einem befreundeten Frauenarzt. Dabei habe sie ihren Mann nie betrogen. Erst danach, ein „Playboy aus München“ wird Nachfolger des schnöden Gatten. „Der war sehr dekorativ, hat aber viel Geld gekostet“, sagt Heidi B. im Rückblick nüchtern.
Geld, das sie hatte. Irgendwie habe sie immer gut verdient – mit dem Verkauf von Orientteppichen und allerlei Antiquitäten. Bis sie an dubiose Partner geraten sei und daraus windige Geschäfte wurden. Später hat sie Autos verkauft, „ab 1967 bin ich Porsche gefahren“.
Ein neuer Anlauf dann in Baden-Baden, jetzt in der Mitte des Lebens. Ein schickes Lokal, von ihr geleitet, das war immer ein Traum der umtriebigen Frau. Und dann der 40. Geburtstag, ein absolutes Highlight in ihrem Leben. Um die 150 Leute im Lokal, Unmengen an Parfüm und weiße Blumen zum Ersticken darin. Mitten drin Stargast Milva, die Sängerin mit der roten Mähne wie sie auch. „Ein Traum.“
Schnell vorbei, wieder musste Frankfurt Glück bringen. Sie verkauft Anzeigen in Medienunternehmen, verdient gutes Geld, das schnell weg ist. Bis sie „rausgeschmissen“ wird. An Rente denkt sie nie, zahlt nur ein paar Jahre ein.
Der neue Mann an ihrer Seite ist 23 Jahre jünger, seit 33 Jahren leben sie jetzt schon zusammen. Zwei Schlaganfälle haben ihn gebremst, Heidi B. ist mit dem Rollator unterwegs, kann kaum noch laufen. Sie leben in einer Zweiraumwohnung im Gallus von kleiner Rente und ein bisschen Grundsicherung.
Heidi N. klagt nicht. „Wir kriegen das auf die Reihe, wir haben ein Dach über dem Kopf, haben es warm.“ Und Erinnerungen an die „ganz große Liebe“. Ein Campingplatzinhaber in Italien, sie war 17 Jahre, er doppelt so alt und wollte sie nicht heiraten.
Jetzt freut sie sich sehr auf die Unterstützung der FR-Altenhilfe. Eine Perücke wird sie sich leisten können, „dunkelblond gesträhnt“. Jürgen Streicher