Großes Gedränge beim Betreten des Schiffes. Die Gäste wurden von FR-Chefredakteur Thomas Kaspar persönlich begrüßt. (Bild: Renate Hoyer)
Die Menschentraube, die sich am Freitagvormittag an der Schiffanlegestelle nahe dem Eisernen Steg in Frankfurt versammelt hat, ist beachtlich – und deutlich älter als die üblichen Touristengruppen, die eine Schifffahrt auf dem Main unternehmen.
Die fast 300 Menschen sind Klientinnen und Klienten der FR-Altenhilfe. Erstmals seit der Corona-Pandemie gibt es wieder einen Ausflug mit dem Schiff für sie. Einige waren bereits eine Stunde vor der Abfahrt am Mainufer. Die Vorfreude scheint riesig.
Als das Boarding beginnt, kommt etwas Bewegung in die Gruppe. Die Hintenstehenden warten geduldig, denn viele müssen mit Rollator oder Rollstuhl aufs Schiff gelangen. Auffällig schon hier: Die meisten haben sich fein gemacht. Die Schifffahrt ist ein Highlight.
Am Einlass gibt es für jede Passagierin und jeden Passagier einen farbigen Jeton. Für den gelben gibt es später beim Mittagessen Putengeschnetzeltes, für den blauen Grüne Soße. „Grie Soß hat meine Mutter immer gemacht. Die hat geschmeckt“, verrät ein Mann unumwunden.
Die Stimmung ist gut. „Danke für die Einladung“, sagt eine Frau. Viele bedanken sich an diesem Tag bei den Organisatoren der Aktion, Ruth Klesel und Christoph Wieland.
Der 77-jährige Raimund hat an einem der vorderen Tische Platz genommen. „Ich bin froh, rauszukommen“, erzählt der Mann, der im Alltag auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen ist. Auf dem „Wappen von Frankfurt“ der Primus Linie fühlt der 77-Jährige gleich wohl. „Ich bin früher selbst Schiff gefahren“, erzählt er. Ein guter Hinweis, falls der Kapitän heute ohnmächtig werden sollte.
Auch sonst hat Raimund noch Ermutigendes auf Lager: „Man darf sich nicht aufgeben.“ Woher er den Optimismus hat? „Ich bin vom Sternzeichen Zwilling.“
Nach gut einer Stunde ist das Boarding abgeschlossen. Somit heißt es nun Leinen los. Das Schiff legt ab in Richtung Hanau. Ein Zwischenstopp am Schloss Philippsruhe ist eingeplant. Als das Schiff an den anderen am Kai vorbeifährt, winken viele den Menschen dort zu. Langsam steigt der Lärmpegel durch die zahlreichen Gespräche an den Tischen.
Vorne auf dem Oberdeck steht Gisela. Die 72-Jährige ist zum zweiten Mal auf einer Altenhilfe-Schifffahrt dabei. „Ich muss mal raus. Einfach mal abschalten“, sagt sie. Vor kurzem sei ihr Mann nach schwerer Krankheit gestorben. Die Pflege war kräftezehrend, seine Schmerzen waren am Ende sehr groß, erzählt Gisela. Der Ausflug ist auch etwas Ablenkung für sie.
Es sei schön, mal wieder mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Das Schloss bei Hanau kenne sie zwar, doch auf den Besuch freue sie sich trotzdem.
Auch der 76 Jahre alte Dieter ist nicht zum ersten Mal bei einem Schiffsausflug der Altenhilfe dabei. Er sitzt alleine an einem Tisch im Innenbereich und schaut aus dem Fenster. Auch er wolle mal rauskommen. „Meine Frau ist vor vier Jahren gestorben. Seitdem bin ich traurig“, erzählt er.
Der große AC/DC-Fan berichtet aus seinem Leben. Von seinem schweren Autounfall, nach dem er monatelang im Krankenhaus lag. „Ich bin froh, überhaupt wieder laufen zu können.“ Er versuche, sich mit Spaziergängen fit zu halten. Eigentlich sei er leidenschaftlicher Doppelkopf- und auch Skatspieler. Doch er finde keine Gruppe, mit der er beides spielen könne. Auf den Zwischenhalt am Schloss freue er sich. „Ich war noch nie dort gewesen.“
Bis dahin ist es aber noch ein Stück. Zunächst muss das „Wappen von Frankfurt“ durch die erste Schleuse. Das lockt so manche Neugierige und manchen Neugierigen aufs Sonnendeck. Es hat schon etwas Entschleunigendes, wenn man minutenlang warten „muss“, bis es weitergeht.
Doch die Wartezeit lohnt sich, den kurz danach wird zum Mittagessen gerufen. Das Servicepersonal flitzt mit den Tellern von einem Tisch zum anderen, bis alle versorgt sind.
Nach dem Essen sitzt Detlef bereits wieder im Achter-Bereich des Schiffs vor seinem Schachbrett und wartet auf Herbert, mit dem er spielt. Auf die Frage, wer von beiden im aktuellen Spiel besser steht, sagt er nur: „ Ich hab heute schon zweimal gewonnen.“ Detlef ist ein alter Bekannter beim Schiffsausflug, verrät er.
Sein Schachbrett bringe er immer mit, ebenso wie ein paar Gedichte. Christoph Wieland von der Altenhilfe habe er heute auch schon eines geschenkt. Ein Stück Lyrik von Ernst Moritz Arndt über das Glück, das glatt und schlüpfrig ist. Davon könnte der 82-Jährige selbst ein Gedicht vortragen: „Im März hatte ich einen Herzinfarkt.“
Es könne schnell gehen, sagt er. Doch der Mann ist Optimist, das merkt man schnell. „Jetzt geh ich auf die 100 zu“, sagt er und lacht. Und wer es nicht glaubt, hat unrecht, denn auf einem Weinfest wurde ihm mal aus der Hand gelesen. Die Prognose damals: 112 Jahre.
Unterdessen haben sich die Reisenden an den Tischen durchmischt. Es wird gebabbelt, getrunken und Visitenkarten werden ausgetauscht. Das Schiff durchfährt noch die zweite Schleuse und macht wenig später an der Anlegestelle am Schloss fest. Einige Gäste gehen von Bord.
Gut eineinhalb Stunden haben sie Zeit, den Park und das Gebäude zu erkunden. Dann fährt das Schiff zurück Richtung Frankfurt. Bei Kaffee und Kuchen findet die Schifffahrt einen angenehmen Ausklang. Steven Miksch