Um am frühen Morgen die Küche etwas aufzuwärmen, wird der Backofen auf Temperatur gebracht. Im Bad hängt ein Strahler, zwei Gasöfen versorgen die Zweizimmerwohnung.
„Mit dem, was ich habe, bin ich zufrieden“, sagt Eva D., die seit 42 Jahren in einem Haus der Nassauischen Heimstätte wohnt und mit 200 Euro im Monat zurechtkommen muss. Ihren Haushalt meistert die 75-Jährige noch selbst – aber in langsamer Gangart. Gemeinsam mit einer Freundin macht sich die Sprendlingerin zum Einkaufen auf den Weg zum Discounter, ein immerhin 60-minütiger Fußmarsch.
„Früher haben wir auch die Tafel besucht, welche jedoch noch weiter entfernt ist.“ Große Sprünge lassen sich mit geringer Rente plus Grundsicherung sowieso nicht machen – nur zu Weihnachten soll „etwas Schönes auf den Tisch“.
Auf finanzielle Rücklagen kann Eva D. nicht zurückgreifen. Ohne das regelmäßige Altenhilfe-Geld – seit zehn Jahren wird die Frau nun unterstützt – ist das Dasein nicht durchzustehen. „Ich bin so dankbar, möchte euch am liebsten einen Blumenstrauß schicken!“
Auf dem Wunschzettel sind für Dezember 2023 gelistet: Friseurbesuch, Christbaum und vielleicht eine Gänsekeule zum Weihnachtsfest. Gefragt nach einer großen Herzensangelegenheit antwortet die Seniorin mit fester Entschlossenheit: „Einmal noch zum Museumsuferfest!“
Wen wundert es, dass Eva D. eine gebürtige Frankfurterin ist? Zur Welt gekommen in Bornheim, nahe dem ehemaligen Straßenbahndepot, aufgewachsen unter beengten Verhältnissen in der Kuhwaldsiedlung. Die junge Frau möchte Fotografin – „am liebsten bei der Kripo“ – werden, erlernt das Handwerk der Fotofachlaborantin.
In aller Kürze benennt die 75-Jährige das alsbald folgende Ende ihres Traums: „Verliebt, schwanger, Heirat.“ Die Schwiegereltern betreiben eine Gastwirtschaft – „in deren Obhut konnte ich meine Tochter nicht geben“.
Neun Jahre lang erträgt sie das „ständige Fremdgehen“ des Ehemanns, 1980 beendet die Scheidung ein unseliges Verhältnis. Mit ihrem Kind flüchtet Eva D. nach Sprendlingen in ein „schreckliches Mauseloch“. An die Rückkehr zur erlernten Profession im fotografischen Metier ist nicht mehr zu denken.
„Danach habe ich geputzt, geputzt, geputzt.“ Rund um die Uhr, von Montag bis Sonntag. In Privathäusern, bei „reichen Leuten“, für 10 Deutsche Mark pro Stunde. Als die Körperkraft – „ich bin staatlich geprüfte Putzfrau“ – nachlässt, reduzieren sich auch die Arbeitsstellen.
Heute ist die rechte Hüfte bereits operiert, „die linke soll bald folgen“. Den im Juni erfolgten Eingriff am Herzen erwähnt Eva D. lediglich in einem Nebensatz.
Ausführlicher erzählt sie von ihrem Kater, der nach 18 Lebensjahren eingeschläfert werden musste und eine ziemliche Lücke hinterlassen hat. „Er fehlt mir sehr.“ Olaf Velte