„Eine Fruchtfliege würde bei uns an Hunger sterben“, sagt Ilona B. Frisches Obst ist eine Seltenheit im Haushalt des in Bad Soden-Neuenhain lebenden Ehepaars. Wie auch andere hochwertige Lebensmittel.
Kaputte Schuhe werden geklebt, der Kauf eines notwendigen Mantels ist seit drei Jahren überfällig. Der 81-Jährigen und ihrem vier Jahre älteren Mann bleiben etwa 250 Euro im Monat.
Ohne die Grundsicherung und die Altenhilfe sei die sehr schwierige Lage nicht zu meistern, erzählt Ilona B., die sich zur „Pack-an-Generation“ rechnet und nur eine Minirente verbuchen kann. „Dass wir beide noch weitgehend fit sind, ist ein Glück.“ Etwaige Krankheiten mit entsprechenden Ausgaben sind jedenfalls undenkbar: „Dann wäre kein Geld für Essen mehr übrig.“
Schmerzlich aber wird es, wenn dem geliebten Enkelkind nur ein Discount-Eis spendiert werden kann. Das Paar – einst „alte Rundschau-Leser und Freidenker“ – ist schlagartig in die Armut gestürzt. „Wir lebten auf gutem Fuße.“
Der Zusammenbruch der Lehman-Brothers-Bank 2008 und die Finanzkrise brachte alle Pläne und Träume zum Einsturz. „Von heute auf morgen habe ich alle sozialen Kontakt abgebrochen – ich wollte kein Mitleid“, sagt eine Frau, die sich auch als „Meisterin im Verdrängen“ bezeichnet.
Ilona B. ist in Berlin aufgewachsen. Weil der Vater nicht aus dem Krieg zurückkehrt, zieht ihre Mutter mit den beiden Töchtern zur Oma, in einen Ostberliner Bezirk. Ort der Sehnsucht ist jedoch Frankfurt am Main, wo die Eltern des Vaters leben und eine Firma besitzen.
Mit 18 flieht die angehende Kunsthistorikerin in den Westen, bekommt die Möglichkeit, in Frankreich zu studieren und sechs Monate in England zu verbringen. Innerhalb weniger Jahre erlernt die junge Frau fünf Sprachen, kann sich bald fließend auf Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch verständigen.
Der Berufsweg ist dennoch nur kurz. Bevor sie 1966 heiratet, arbeitet sie in der Werbung. „Mit der Geburt des Sohnes war diese Phase zu Ende.“ Ilona B. betätigt sich fortan ehrenamtlich in Vereinen, Gremien und Gesellschaften, während ihr Ehemann den Betrieb der Großeltern weiterführt.
Der Sturz in die Not kommt jäh. „Das hat uns eiskalt erwischt.“ Rückzug ist angesagt: „Mit einem Male hatten wir bessere Tage gesehen – wie Leute in einem Roman.“
Heute ist die 81-Jährige „unendlich dankbar“ für das Wirken der Altenhilfe der Frankfurter Rundschau. Die Zuwendungen seien immer ein willkommenes Polster für die nachfolgenden Monate. Ob es diesmal für einen Mantel reicht? „Egal wie es läuft“, sagt die alte Dame, „diese Hilfe ist etwas ganz Wunderbares.“ Olaf Velte