Klagen würde Norbert H. nie über falsche Entscheidungen im Leben. Nicht mal über den Moment, als er sich richtig verzockt hat, ausgerechnet im Zusammenspiel mit einem Freund.
Viel Geld hat er da in den Sand gesetzt, die komplette Abfindung eines früheren Arbeitgebers. Norbert H. war 55 Jahre, bekam 150.000 Euro. Und in der Folge ging es um einen lockenden Zinssatz für das Geld, eingesetzt als Privatkredit.
Das Projekt kam nie richtig in die Gänge, Geschäfte mit Bürobedarf und Computern von Berlin aus. Dann kam die Pleite, der Freund nahm sich das Leben, das Geld war futsch, es diente als Bürgschaft. Von den Zinsen wollte Norbert H. im Alter leben, sozusagen seine aufgestockte persönliche Rente, denn viel würde er wohl nicht bekommen.
Nach Frankfurt kam der „Badenser“, als der er sich auch mit 82 Jahren immer noch fühlt, zum Studium der Volkswirtschaft. Für einen Abschluss hat es nicht gereicht, mit der Diplomarbeit sei er „durchgefallen“, sagt er, zur Wiederholung kam es nicht. Stattdessen zur Hochzeit, er war 24 Jahre alt, die Braut fünf Jahre jünger, der erste Sohn kam schnell und wenig später die Tochter.
Und Arbeit für Geld musste her, kein Uni-Leben mehr. Norbert H. hatte lange keinen Grund zum Klagen, er schlug sich durch im Außendienst einer Bausparkasse, verkaufte Baufinanzierungen, Sparverträge, Versicherungen – „was man da halt so macht“, meist auf Provisionsbasis.
Darüber kam es schließlich auch zum Dissens mit dem Arbeitgeber, H. fühlte sich übervorteilt, suchte den Absprung. Über den Tod seiner ersten Frau zehn Jahre vor dem finanziellen Crash kann er heute mit Abstand sprechen. Sie starb mit 41 Jahren an Krebs, der Sohn war „gerade beim Bund“, die Tochter in der Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel, Norbert H. geriet ein wenig aus der Umlaufbahn.
Eine zweite Ehe vier Jahre später hielt nur knapp acht Jahre, hat aber positive Spuren hinterlassen. „Mit der Ex habe ich ein gutes Verhältnis“, sagt Norbert H., sie arbeitet bei der Diakonie, unterstützt ihn. Auch die Kinder in ihren 50ern tun das, beide wohnen nicht weit entfernt von seiner Wahlheimat Bad Soden. Wo H. von Grundsicherung lebt, über einen Wohnberechtigungsschein hat er eine kleine Zweizimmerwohnung in einer Siedlung der Nassauischen Heimstätte bekommen.
Die Unterstützung durch die FR-Altenhilfe seit eineinhalb Jahren findet er „ganz toll“, die Inhalationsmedikamente, die er aufgrund der Erkrankung an COPD braucht, sind teuer, und für ein paar Geschenke reicht es auch.
Als „letzte soziale Kontakte“ neben Kindern und der Ex-Frau nennt der Fußballfan die Männer vom „Eintracht-Stammtisch“. Der trifft sich jede Woche zum Mitfiebern am TV. Mit Stock oder Rollator ist er da unterwegs, weil die Hüfte und die Bandscheiben nicht mehr so richtig wollen. Klagen will er auch darüber nicht. Jürgen Streicher