Die 78 Quadratmeter ihrer Mietwohnung teilt sie sich mit einer Mitbewohnerin. „Sonst wäre das nicht zu schaffen“, sagt Selma K., die in Sachsenhausen wohnt und Grundsicherung bezieht.
35 Jahre lang hat sie gearbeitet, war täglich mehr als neun Stunden auf den Beinen – ihre Rentenhöhe beläuft sich dennoch auf kärgliche 535 Euro.
Die monatlich verbleibenden 250 Euro wollen eingeteilt sein, verlangen „große Sparsamkeit“. Kleidung zu kaufen, so die 71-Jährige, sei ganz unmöglich. Zurückgegriffen wird also auf das, was der Kleiderschrank hergibt.
Mit Mühe bewerkstelligt Selma K. die Arbeiten im Haushalt, Bewegungen fallen ihr schwer. „Pünktlich zum Renteneintritt hat sich auch die Arthritis bei mir eingestellt.“ Jammern aber ist keine Option für eine Frau, die vormals jede Besorgung innerhalb Frankfurts zu Fuß erledigt hat.
1952 in Bukarest geboren, hat sie nach Kindheit und Jugend „ohne Ausbildung“ in einer Buchhaltung erste Berufserfahrungen gesammelt. In Rumänien heiratet sie auch, später wird sie dort geschieden. Selma K. möchte nach Deutschland, wo ihre beste Freundin mittlerweile lebt – zwei Jahre lang dauert der Kampf um die Ausreisegenehmigung, „eine wahre Odyssee“.
Am 28. September 1980 betritt sie den Boden der Bundesrepublik, findet sich zuerst in Frankfurt, dann in Aachen ein.
Als sie eine gültige Arbeitserlaubnis hat, wird die 30-Jährige zu einer festen Kraft in der Frankfurter Gastronomieszene. Sie schuftet im Hotel-Restaurant „Münchner Hof“, später im „Bier-Palais“, einer traditionsreichen Fußballkneipe an der Schweizer Straße.
Die Branche floriert – immerhin gehören die damals stationierten US-Soldaten zum unverzichtbaren Kundenkreis. Die abschließende Phase ihres „Knochenjobs“ absolviert Selma K. in einem Betrieb am Flughafen. Verlockend, so erzählt sie im Rückblick, sei der ordentliche Verdienst durch Trinkgelder gewesen. „Da hat man auch gerne die vielen Stunden am Stück durchgeschafft.“ Für die Alterssicherung bleibt jedoch kaum etwas übrig.
Vorbei ist die Zeit der Ausflüge und Reisen. Mit einer Freundin – „ich habe den Frankfurt-Pass“ – besucht sie zumindest die städtischen Museen. Die Zuwendungen der Altenhilfe sind für sie „ein wahrer Lichtblick“, ja „eine wichtige Motivation“. Finanzielle Beihilfen, Gutscheine, Einladungen: „Ich bin sehr dankbar!“
Möglich ist auch ein Weihnachtsessen, zu dem Selma K. liebe Mitmenschen einladen wird. Auf dem Speiseplan: ein rumänischer Klassiker. „Mit Reis und Hack gefüllte Kohlrouladen, Bauchspeck nebst saurer Sahne, dazu Polenta“, so die 71-Jährige. Erst dann sei das Christfest vollkommen. Olaf Velte