Ja, die Sehnsucht nach Flensburg und der Ostsee kommt immer mal wieder durch. Unerreichbar, wie die schönen Zeiten der Kindheit, die sie dort erleben durfte.
Die Mutter von Nelli S. stammte aus der Stadt an der Förde, der Vater aus dem früheren Königsberg, 1000 Kilometer weiter östlich an der Ostsee. Die Frau eines Onkels lebt noch in Flensburg, aber Nelli S. verdrängt den Gedanken an eine Reise. Dafür würden ihre finanziellen Mittel nicht reichen.
Nelli S. wohnt in der Nähe des Frankfurter Hauptfriedhofes, in fünf Minuten schafft sie es mit dem Rollator zur U-Bahn, um mal in die Stadt zu fahren. „Man darf sich nicht hängen lassen“, sagt die 68-jährige Frau.
Sie könne ja fast alles irgendwie doch noch machen. Trotz des halbsteifen linken Fußes nach insgesamt drei Operationen, als der erste Bruch zu spät bemerkt wurde. Trotz der „morschen Knochen“, der Arthrose. Es muss weitergehen.
Die Hilfe der Tochter beim Duschen nimmt sie manchmal gerne an, aber auch die hat es nicht leicht mit einer Platte im Arm nach einem komplizierten Bruch. Früher hat Nelli S. selbst geholfen, hat in der Altenpflege gearbeitet. Zuerst in einem Pflegeheim, aber das hat sie „fertig gemacht“, sagt sie. Nur Schaffen, nur Hetze, Zeit für ein Gespräch mit den Menschen blieb eigentlich nie.
Sie ist in die ambulante Pflege mit Hausbesuchen gewechselt, das war besser. Da sie aber als alleinerziehende Mutter immer nur Teilzeit arbeiten konnte, fällt die Rente spärlich aus.
Über den Mann, von dem sie vor 45 Jahren die Tochter bekam, spricht sie gar nicht. Zehn Jahre zum Vergessen, nur drei haben sie „eigentlich zusammengelebt“. Die FR-Altenhilfe ist seit zwei Jahren ein wiederkehrender Lichtblick im Leben von Nelli S.
Der Fernsehapparat, der im Hintergrund läuft, ist oft ihr einziger Gesellschafter. „Das ist eine gute Hilfe, dafür bin ich sehr dankbar.“ Zum Glück ist die Wohnung günstig. Mit der Grundsicherung kommt sie gerade so zurecht: ohne Luxus natürlich.
Den stellt schon die neue Waschmaschine dar, die sie sich jetzt leisten kann. Sie war im Angebot für knapp 300 Euro. Wenn noch was bleibt, gibt es ein kleines Geschenk für die „Buben“ der Tochter zu Weihnachten. Jürgen Streicher