Vor wenigen Wochen ist der Freund – „mein Ein und Alles“ – verstorben. Ein Lebensgefährte, mit dem Agnes O. zwar nicht zusammengewohnt hat, aber 45 Jahre lang in großer Treue verbunden war.
Der Schmerz über den Verlust überwiegt derzeit jede Zukunftsangst im Angesicht dauernder Geldknappheit. „Eine Rente von circa 200 Euro, dazu Grundsicherung von 278 Euro.“ Wie viel monatlich zur Lebenserhaltung bleibt, möchte die Frau aus Scham nicht sagen.
Obwohl die Arthrose in den Gelenken sitzt und den Einsatz eines Rollators notwendig macht, ist das Verweilen in der 52-Quadratmeter-Mietwohnung keine Option. Sie müsse nach draußen, so die gebürtige und eingefleischte Enkheimerin, müsse sich bewegen, sich ablenken.
In dem östlichsten Teil der Stadt Frankfurt kennt sie jedenfalls jede Ecke, jedes Quartier. Es ist ihre Heimat, seit die 1956 Geborene das Licht der Welt erblickt hat.
Das familiäre Glück zerbricht für das Einzelkind allzu plötzlich: „Mein Vater ist im Alter von 39 Jahren während des Urlaubs verstorben.“ Mutter und Tochter müssen das Dasein meistern, Agnes O. tritt mit 17 in den Dienst der Dresdner Bank, arbeitet als angelernte Kraft in der Dokumentenabteilung, „am Schreibautomat“.
So angenehm Stelle und Umfeld, so schnell endet das Engagement. Nach fünf Jahren nimmt die Lebensplanung aufgrund einer Heirat – die Ehe wird jedoch bald wieder geschieden – eine andere Richtung. „Danach habe ich für ein Jahrzehnt im Bereich Modeschmuck-Promotion gearbeitet.“
Was „damals durchaus gut gelaufen ist“, stellt sich später als erster Schritt in die Altersarmut heraus. Zahlungen für die Rente oder soziale Absicherung seien in jener Zeit nicht geleistet worden.
Weitere Vertriebstätigkeiten für Sonnenbrillen und Erfrischungsgetränke schließen sich noch an, bevor die geliebte Mutter krank und pflegebedürftig wird. Agnes O. übernimmt wie selbstverständlich die Aufgabe – ohne sich von der einsetzenden, eigenen Krebserkrankung niederzwingen zu lassen. „Das habe ich überlebt.“
Fortan ist die finanzielle Lage angespannt, an einen erhofften Nordsee-Urlaub nicht mehr zu denken. Von der Altenhilfe – „Danke, Danke, Danke!“ – unterstützt wird die 68-jährige Frankfurterin seit dreieinhalb Jahren. Sie denkt darüber nach, sich demnächst warme Schuhe und einen dicken Pullover zu gönnen.
Vielleicht. Denn die zeitige Reparatur ihres Wäschetrockners hat absoluten Vorrang, der Handwerkertermin ist schon anberaumt. Die Sorgen sind groß: „Ich weiß im Moment noch nicht, wie ich das bezahlen soll.“ Olaf Velte