Mit 63 Jahren ist Bruno W. endgültig in Rente gegangen.
„Ich habe nicht bis zum Schluss arbeiten können“, sagt der heute 69-jährige gesunde Mann, der sich fit genug fühlt für einen Urlaub an einem südostasiatischen Strand. Wenn das Geld denn reichen würde.
Wenn man es genau nimmt, ist W. schon mit 54 Jahren aus dem Erwerbsleben ausgestiegen. Kurz nach der zweiten Scheidung, da wollte er einfach nur noch weg. „Dumm gelaufen, da kam viel zusammen“, sagt er.
Auch die erste Ehe hat er versemmelt. Um der zweiten Ex, die im gleichen Stadtteil lebte, „nicht immer über den Weg zu laufen“, zog es ihn in die Ferne. In Filderstadt bei Stuttgart hat er da gewohnt und 19 Jahre als Aufzugstechniker gearbeitet. Mit dem Arbeitgeber vereinbarte er eine Abfindung für seinen Ausstieg, einen Monatslohn für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit.
Hat 15 Monate gereicht, erst Thailand, dann Brasilien, zuletzt noch „Malle“. Als das Geld zu Ende war, kam Offenbach. Bruno W. meldete sich arbeitslos, landete in einer Vier-Männer-WG, das sei auch nicht gerade das „Nonplusultra“ gewesen.
Schwupps waren wieder 18 Monate ins Land gegangen, den Weg zurück ins Arbeitsleben schaffte der gelernte technische Zeichner nicht. Hat er sich wirklich bemüht? Bei solchen Fragen weicht er gerne aus. Er habe es „halt nicht mehr geschafft in dem Alter“.
Auf 18 Monate Offenbach folgte wieder Thailand. Mit einem Freund wollte er eine Gaststätte eröffnen, nach drei Monaten Urlaub war die zweite thailändische Episode vorbei. Dann ein Jahr Stuttgart, Bruno W. schlug sich mit Grundsicherung durch. Und immer wieder leuchtete der Fluchtpunkt Thailand im Kopf auf.
Doch auch der dritte Versuch scheiterte, auf „einen Freund mit Thai-Frau“ hat er da als Starthilfe gehofft. Traumziel Pattaya, es wäre fast sein letzter Ort geworden, als „alles irgendwie nicht geklappt hat“. Eine Flasche Whiskey und viele Schlaftabletten standen bereit, Kontakte zu einer deutschsprachigen Kirche in Pattaya brachten W. zurück in die Spur.
Letzte Ausfahrt Frankfurt, hier ist die Maschine aus Bangkok vor zehn Jahren gelandet. Bruno W.s letzter Goldstrand im übertragenen Sinne, nicht weit von der Geburtsstadt Oestrich-Winkel im Rheingau. Er kommt für neun Monate in einem Wohnwagenprojekt der Caritas unter, bekommt Grundsicherung, dann die Rente mit 63 plus Wohngeld, eine bescheidene Wohnung in einer Art Seniorenwohnanlage draußen in Fechenheim.
Und hat Frieden mit sich und der Welt geschlossen. „Man muss es nehmen, wie es ist.“ Man darf aber auch träumen von einem Urlaub an Thailands Stränden. Jeden Euro, den Bruno W. dafür sparen kann, legt er auf die Seite. Auch vom kleinen Zubrot durch die FR-Altenhilfe, über das er sich seit vier Jahren regelmäßig freuen kann. Jürgen Streicher