Wenn ich nur noch 50 Euro auf dem Konto habe, dann hebe ich trotzdem 25 ab, wenn ich höre, jemand anderem fehlt es an Essen“, sagt Johannes W..
Auch in der eigenen Not anderen helfen zu wollen – das hat der 68-Jährige von seiner Mutter gelernt. Als Angehörige der Gemeinschaft der Sinti und Roma wurde die gesamte Familie zur Zeit des Nationalsozialismus verfolgt. Seine Mutter, die als junges Mädchen nach Polen ins Konzentrationslager deportiert worden war, wusste, was es bedeutet, qualvollen Hunger zu leiden.
Zwei Mal 5000 Euro – ganz sicher ist sich W. nicht – habe seine Mutter als Entschädigungszahlungen erhalten. Einerseits könne kein Geld der Welt wiedergutmachen, was sie habe durchleben müssen. Eine wirkliche Perspektive, raus aus den prekären Verhältnissen, in denen die Mutter auch nach Kriegsende leben musste, konnte das Geld jedoch andererseits auch nicht bieten.
Johannes W. erinnert sich, bereits als 15-Jähriger die Familie mit ernährt zu haben. Eine Ausbildung kam aufgrund des geringen Lohns nicht infrage. Stattdessen arbeitete er einige Jahre im Lager eines großen Betriebs. In der verbliebenen freien Zeit verdiente er sich mit Rasenmähen ein wenig Geld dazu.
Als die Familie von Berlin nach Köln umzog, sei er „auf die schiefe Bahn geraten“. Mit dem Kiffen habe es angefangen, schließlich wurde er kokainsüchtig. Irgendwann, als er vom regelmäßigen Konsum schon ganz abgemagert war, habe er der Wahrheit ins Auge geblickt. „Ich dachte mir, wenn ich es jetzt nicht schaffe aufzuhören, dann sterbe ich.“ Inzwischen sei er seit mehr als 30 Jahren clean.
Von weiteren Schicksalsschlägen aber blieb Johannes W. nicht verschont. Seine Mutter starb an einem Aneurysma im Kopf, vermutlich eine Folge des Typhus, an dem sie im Konzentrationslager erkrankt war. Der plötzliche Tod seines Stiefsohns in den 1990er Jahren riss eine Kluft in die Beziehung zwischen Johannes W. und seiner damaligen Partnerin, die sich nicht mehr überbrücken ließ.
W. entschloss sich, alleine nach Frankfurt zu ziehen. Nachdem sein eigener Sohn den Kontakt abbrach, machte sich das Gefühl der Einsamkeit immer breiter. Als er vor mehr als 20 Jahren zum Glauben fand, habe er neuen Mut fassen können.
In seiner Gemeinde ist Johannes W. als Prediger und Seelsorger für seine Mitmenschen da, was ihm „große Kraft“ gebe. Und auch eine neue Freundin hat der 68-jährige in der Zwischenzeit gefunden.
Die finanziellen Mittel jedoch sind weiterhin knapp. Rente und ergänzende Grundsicherung, davon lässt es sich nicht gerade komfortabel leben. Dennoch legt Johannes W., wann immer es möglich ist, etwa dank Unterstützung durch die Altenhilfe der Frankfurter Rundschau, ein bisschen Geld zur Seite.
Schließlich hat ihm sein Leben mehr als deutlich aufgezeigt, dass man nie wissen kann, was auf einen zukommt. Vivienne Wallner