Blond war er und blauäugig, wie ein „Nordmann“. Aber der Traummann blieb er nicht allzu lange.
Als sie 33 Jahre alt war, hat Juanita R. ihn endgültig in die Wüste geschickt. Den Mann mit dem schönen Namen, der an ihr aber nicht genug hatte. Immer wieder andere Liebschaften trotz der zwei heranwachsenden Kinder im Haus, nach Jahren des fehlenden Glückes hat sie sich scheiden lassen, sie wollte „nichts Aufgewärmtes, keinen Mann zum Erziehen“.
Nur den zweiten Namen nach ihrem Mädchennamen, der mit dem schönen Klang, hat Juanita R. behalten. Und die Kinder, doch Unterhalt hat der Treulose nie gezahlt.
Eine Kämpferin war Juanita R. nie. Dazu hatte sie nicht die Konstitution. Körperlich nicht und auch nicht im Kopf. Seit sie 18 ist, plagen sie immer wieder Angstzustände und Panikattacken.
Ihre Friseurinnenlehre, die ihr anfangs viel Spaß gemacht hat, muss sie abbrechen, ihre Haut verträgt die Berührung mit den Wirkstoffen nicht, die in Färbemitteln enthalten sind. Am schlimmsten aber ist die „Angst vor der Angst“.
Aus Potsdam sei sie als Kind mit den Eltern geflüchtet, das war in den 50er Jahren, Neuhof und Taunusstein wurden die erste Heimat, dann Wiesbaden, wo sie heute noch lebt.
Als „bodenständiger Mensch“ sieht sich Juanita R., „ich bin kein Vagabund“. Der Vater hat auf dem Bau gearbeitet, als Hilfsarbeiter, später ist er Lagerist geworden, die Mutter hat geputzt und sie die Hauptschule besucht. Mit 20 hat sie geheiratet, ein „ganz normales Arbeiterkind“ der Zeit eben, wie sie sagt.
Die Nervenprobleme, Angstzustände, Panikattacken aber werden sie ihr ganzes Leben beeinträchtigen. In ein geregeltes Arbeitsleben wird sie nie kommen. Gelegenheitsarbeit hier und da, „mich wollte ja keiner mehr“.
Immer wieder ist sie in ärztlicher Behandlung, wird mit Medikamenten vollgepumpt. Heute seien es elf Medikamente am Tag, die letzte Corona-Impfung habe ihr den Rest gegeben, seitdem gehe gar nichts mehr ohne Rollator.
Ein kleines Glück ist zurückgekommen in ihr Leben. Herr L., auch er von Schicksalsschlägen getroffen, ist vor 15 Jahren aufgetaucht, mit ihm lebt die heute 76-jährige Juanita R. in einem gemeinsamen Haushalt in einer altersgerechten Wohnanlage in Biebrich. Zwei Zimmer, Küche, Bad, „alles klein und bescheiden, aber in Ordnung“.
Nach der Scheidung damals 1981 hat sie viele Jahre mit den Kindern bei der Mutter gewohnt und sie am Ende rund um die Uhr gepflegt, als der Vater verstorben war. Jetzt ist sie selbst ein Pflegefall, zweimal am Tag kommt der Pflegedienst, aber „einer muss noch die Knochen zusammenhalten“.
Sie schaffen das leidlich gemeinsam. Mit 260 Euro Rente und Aufstockung, mit zweimal pro Jahr Unterstützung durch die Altenhilfe der FR, mit dem, was der frühere Seefahrer Herr L. noch aufbringen kann.
Auch alles zusammen ist zu wenig, das Leben ist kompliziert. Einmal am Tag wird Essen gebracht, Kontakte nach draußen haben sie kaum noch. Die zwei Töchter von Herrn L. aus erster Ehe sind nach Amerika ausgewandert, Sohn und Tochter von Juanita R. schauen nur selten mal kurz rein. Mehr will sie dazu eigentlich nicht sagen. Jürgen Streicher