Bild: Michael Schick

Obwohl sie erst im Jahr 1947 geboren wurde, hat der Krieg das Leben von Amanda S. geprägt.

Die Angst ihrer Eltern davor, dass all das, was sie Schlimmes durchleben mussten, wiederkehren würde, war allgegenwärtig. Als Angehörige der Gemeinschaft der Roma wurde die ganze Familie in der Zeit des Faschismus von den Nazis verfolgt und ins Konzentrationslager deportiert.

„Meine Eltern haben uns so schlimme Sachen erzählt, die möchte man gar nicht wiedergeben“, sagt die 78-Jährige. „Und das Schlimme ist, es geht schon wieder los.“

Als Amanda S. sechs Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit ihr und den fünf Geschwistern von München nach Frankfurt. Die Entschädigungszahlungen, die ihre Eltern erhielten, waren nicht mehr „als ein Tropfen auf den heißen Stein“: fünf Mark pro inhaftiertem Tag im Konzentrationslager.

Trotz der schrecklichen Erinnerungen ihrer Eltern, die den Familienalltag prägten, erinnert sich Amanda S. an eine schöne Kindheit. Gerne sei sie zur Schule gegangen und habe viel Zeit draußen verbracht. Ihren Vater, der als Kaufmann arbeitete, beschreibt sie als einen „fleißigen Mann“.

Amanda S. trat in seine Fußstapfen und begann nach der Schule, ebenfalls als Kauffrau zu arbeiten. Im Alter von 16 Jahren lernte S. ihren Mann kennen, mit dem sie inzwischen seit 61 Jahren verheiratet ist.

Mit vier Kindern, einigen Enkeln und inzwischen sogar Urenkeln war und ist in der Familie immer etwas los. „Wenn die alle hier in der Wohnung sind – oh Jesus.“

Famlie war für Amanda S. immer besonders wichtig. Umso schwieriger war es für sie, als binnen kurzer Zeit beide Eltern starben. „Die waren alle gebrochen, alle krank durch das Konzentrationslager.“ In dieser Zeit starb dann auch noch der jüngere Bruder von S. an einer Überdosis. Amanda S. war damals 35 Jahre alt.

Welche Droge genau ihrem Bruder zum Verhängnis wurde, kann sie nicht sagen. Als dann vor drei Jahren aber ihr Sohn starb, fiel es ihr schwer, überhaupt wieder Mut zu fassen, weiterzumachen. Auch ihn holten letztendlich die Folgen einer jahrelangen Drogensucht ein.

Besonders in der Weihnachtszeit ist es für Amanda S. schwer. „Mein Mann und mein Sohn haben immer alles zusammen geschmückt“, erzählt sie, „seitdem er gestorben ist, machen wir das gar nicht mehr.“ Mit der Zeit lerne man das Leben mehr zu schätzen, erklärt S. Schließlich müsse es irgendwie weitergehen.

Amanda S. ist dankbar, ihren Mann an ihrer Seite zu haben. Aufgrund der Folgen eines Hirnschlags ihres Mannes sowie ihrer eigenen Lungenerkrankung sind die beiden auf die Hilfe ihrer Kinder und Enkelkinder angewiesen. Von dem bisschen Sozialhilfe, das das Ehepaar bezieht, „kann man nicht leben und nicht sterben“.

Amanda S. bereitet es Kummer, den Enkelkindern nichts zu Weihnachten schenken zu können. Das Geld, das sie von der FR-Altenhilfe erhält, nutzt sie vor allem, um sich Lebensmittel zu kaufen, die sonst schlicht zu teuer sind – etwa Obst oder auch mal ein wenig Fleisch. „Meistens essen wir Nudeln“, erklärt S., „oft sogar nur mit Butter.“ Aber auch die ist sehr teuer geworden.

Die Inflation macht sich bei jedem Einkauf bemerkbar. Amanda S. fällt es schwer, mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen: „Die Armen werden immer ärmer und ich habe Angst, dass es bald wieder Krieg gibt.“ Vivienne Wallner