Der 85 Jahre alte Lothar F. zählt auf, was er zum Mittagessen hatte: „Zwei Scheiben Brot mit Butter und eine Banane.“ Auf den Cent gerechnete Genügsamkeit gibt in seinem Haushalt seit Langem die Richtung vor. Obwohl er kein großer Esser sei, reiche das verfügbare Geld gerade für die tägliche Ernährung.
Rund 697 Euro Rente plus 46 Euro an Grundsicherung stehen auf der monatlichen Habenseite des gebürtigen Schwaben. Die 42-Quadratmeter-Wohnung im Haus der Nassauischen Heimstätte kostet „519,85 mit Nebenkosten“. Das Resümee ist schnell gezogen: „Ich habe nichts zur freien Verfügung.“
Ein Dilemma, das Lothar F. der Rentenversicherung anlastet – „da befinde ich mich seit zwei Jahrzehnten im Kampf um die Anerkennung meiner Arbeitszeiten“. Die derzeit ausgezahlte Summe beruhe auf falschen Berechnungen.
Zudem, so der Bad Sodener, sei ein Antrag auf Beihilfe zu Nahverkehrs-Fahrtkosten abgelehnt worden. „Nach meinem Einspruch ruht die Angelegenheit.“ Seit 1982 ist er alleinstehend, hat nach einer schwierigen Ehe – „viel Streit“ – auch den gemeinsam bewohnten Terrassenbungalow eingebüßt. Zu den beiden Kindern besteht längst keine Verbindung mehr.
Begonnen hat alles im Glück der frühen Jahre. Er habe, erzählt der Senior, seine spätere Ehefrau im Urlaub kennengelernt und sei der Liebe wegen in den Frankfurter Raum umgesiedelt. Sportlich geht es zu, mit Begeisterung widmet sich Lothar F. dem Faustball, Rudern und Kegeln. Vor 40 Jahren gründet er zudem mit Gleichgesinnten den Schachclub Bad Soden, wo der 85-Jährige noch heute als Spieler aktiv ist.
Er ist ständig unterwegs, arbeitet als selbstständiger Außendienstler für verschiedene Technikfirmen. Fast sechs Jahrzehnte lang werden Deutschland und das nahe Ausland bereist, jedes Jahr 40 000 Kilometer mit dem Auto absolviert. „Monatlich standen immer zwei bis drei Messen an.“ Die Trennung von Frau und Kindern – „sie waren damals 8 und 10 Jahre alt“ – ändert dann die Verhältnisse.
Verwandtschaftliche Bindungen sind erloschen. Das Kriegsende 1945 erlebt Lothar F. als Zehnjähriger, rettet sich mit seiner Mutter durch das verwüstete Heilbronn. Der Vater ist als Soldat bei einem Unfall umgekommen, eine Schwester verliert ihr Leben während eines Luftangriffs.
Heute – „ich bin noch gut zu Fuß“ – stiftet das Miteinander im Schachclub eine Verbindung zur Außenwelt. „Da befinde ich mich unter Leuten“, sagt er, der sich noch immer für die Welt der Technik interessiert, sich mittels Fachzeitschriften zu „Metall, Maschinenbau, Kunststoff“ informiert. Advent und Feiertage bedeuten ihm wenig, die Weihnachtsfeier unter Schachfreunden ist aber ein stets willkommener Freudentag.
Was er mit der Unterstützung der Altenhilfe machen wird, ist für den 85-Jährigen noch nicht entschieden. „Meinen früher reich gefüllten Kleiderschrank trage ich ja seit langer Zeit schon auf.“ Und etwas, das die täglichen Bedürfnisse übersteigt, mag er sich kaum vorstellen. Noch einmal einen Ausflug, eine kleine Reise vielleicht? „Naja, ich bin allem gegenüber aufgeschlossen.“ ov