Bisher musste Tatjana Janzen immer einen Korb packen mit Puppen, Massagebällen, einer Duftlampe oder Musikinstrumenten, wenn sie zu den Senioren ins Zimmer gegangen ist, die nur im Bett liegen können oder an Demenz leiden und schwerst pflegebedürftig sind.
„Das war mühsam, manches Mal hat man etwas vergessen, oder die Bewohner hatten einen Wunsch, der mit dem gerade vorhandenen Material nicht erfüllt werden konnte“, erzählt die Leiterin der Sozialen Betreuung im Haus Mainblick in Kelkheim.
Viel wertvolle Zeit sei dann bei der Aktivierung der alten Menschen verloren gegangen. „Das hat mir immer leid getan“, sagt Janzen. Seit Januar 2019 ist das anders. Jetzt gibt es einen „Snoezelwagen“ im Pflegeheim neben dem ehemaligen Franziskanerkloster.
Gespendet hat den schlichten weißen Wagen mit den vielen Schubladen und Fächern die Alten- und Weihnachtshilfe der Frankfurter Rundschau. 1700 Euro hat er gekostet. „Wir sind sehr dankbar, dass wir den Snoezelwagen auf diese Weise anschaffen konnten“, sagt Jens Schreiber, der Leiter des Sozialen Dienstes im Haus Mainblick.
In den Nachrichten, die vierteljährlich für das Altenheim herausgegeben werden, kann man nachlesen, was sich hinter dem Wort „snoezelen“ verbirgt. Es sei eine Phantasieschöpfung aus den beiden niederländischen Verben „snuffelen“, was soviel heißt wie kuscheln, und „doezelen“ (dösen). Darunter werde der Aufenthalt in einem gemütlichen, angenehm warmen Raum verstanden.
„Bei uns heißt „snoezelen“, die Sinne der pflegebedürftigen Bewohner anzuregen, die das aus eigener Kraft nicht mehr schaffen“, erklärt Tatjana Janzen. Blickfang am Wagen ist eine bunte Wassersäule, in der Luftblasen hochsteigen. Alle Regenbogenfarben können von Hand aus eingestellt werden. Ein Beamer, der oben auf dem Snoezelwagen montiert ist, wirft Bilder an die Decke. Janzen und ihre Kollegen schalten ihn zum Beispiel ein, wenn sie Heimbewohnern, die im Bett liegen, Märchen vorlesen.
Alles Material, das zur Aktivierung der Heimbewohner gebraucht wird, haben die Mitarbeiter der Sozialen Betreuung im Haus Mainblick jetzt immer dabei: die Handpuppe Mia mit den quietschgelben Haaren und die Stoffpuppe Josef zum Kuscheln, die beide oben auf dem Wagen sitzen; diverse Massagebälle, die die Körperwahrnehmung der Bewohner anregen sollen, Duftpotpourries zum Schnuppern, eine Regenrassel und eine kleine Harfe zum Musikmachen, buntes Kinderspielzeug für die Förderung der Feinmotorik.
In jeder Woche kommt der Snoezelwagen in einem anderen Stockwerk des Pflegeheims zum Einsatz. Auch Bewohner, die noch fit und mobil sind, können das Sinnesmaterial jetzt nutzen.
82 Senioren leben im Haus Mainblick. Untergebracht ist das Alten- und Pflegeheim, dessen Träger die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Hessen Süd ist, im ehemaligen Schwesternhaus des Kelkheimer Klosters. 1996 wurde das Heim eröffnet.
Im Erdgeschoss gibt es 14 Heimplätze für Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Demenz. Im zweiten Obergeschoss werden auf einer Intensivpflegestation unter anderem Menschen versorgt, die über ein Tracheostoma, einen Luftröhrenschnitt, atmen oder einen künstlichen Darmausgang haben. „Unser Angebot ist breit. Niemand muss ausziehen, wenn der Pflegeaufwand größer wird“, sagt Jens Schreiber.
Andrea Rost