Danyel Nicholas aus Wiesbaden bei einem seiner Soli auf der Klarinette. Bild: Christoph Boeckheler
Der magische Moment kommt um 18.54 Uhr. Bernd K. Otto spielt den Start-Akkord auf seinem Banjo. Das Marching Girl schwenkt den Schirm in den Regenbogenfarben. Und hinter dem musikalischen Leiter des Abends zieht ein bunter Lindwurm aus dem Vorraum ins Innere der Katharinenkirche ein. Und intoniert den Jazz-Klassiker „Bourbon Street Parade“.
Die 450 Menschen im ausverkauften Kirchenschiff reißt es von den Sitzen. Sie klatschen rhythmisch zur Musik, rufen, fotografieren.
So beginnt das große Konzert 2018 zugunsten der FR-Altenhilfe. Es ist also alles vertraut. Und doch ist in diesem Jahr alles anders. Denn zum ersten Mal erlebt das Publikum drei Bands an einem Abend. Zum Boogie Woogie und Swing stößt der Blues dazu.
Und der Sound, das sagen alle, die schon länger dabei sind, ist so gut wie noch nie. Arnd Festerling, der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, richtet die besten Wünsche von Oberbürgermeister Peter Feldmann aus, der in diesem Jahr leider durch andere Termine am Auftritt beim Konzert gehindert wird. Und Festerling verspricht: „Wir lassen es richtig krachen!“
Das Versprechen wird eingelöst. Dafür sorgen gleich schon die „Down Home Perculators“ am Anfang. Unter diesem Namen treten Klaus, genannt „Mojo“, Kilian und sein alter Freund, der Gitarrist Bernd Simon, auf. Die beiden bringen alten, erdigen Blues auf die Bühne vor dem wuchtigen Altar. „Mojo“ ist einer der besten Blues-Harp-Spieler Deutschlands, und das zeigt er schon gleich beim Traditional „Going down this road, feeling bad“ der US-Blues-Legende Big Bill Broonzy.
Die beiden sind zum ersten Mal beim Altenhilfe-Konzert dabei. „Mojo“ zaubert auf der Blues Harp, wechselt von hell zu dunkel. In den Sitzbänken der Kirche wippen die Leute mit, begeisterter Beifall. Vorne am Eingang werden Ebbelwei und Schmalzbrote verkauft. Die Down Home Perculators wechseln zu einem langsamen „Talking Blues“: „Sitting on top of the World“.
Großer Beifall. Dann räumt das Duo die Bühne für die zweite Band des Abends und die nächste Premiere beim Altenhilfe-Konzert: den Pianisten Michael van den Valentyn und sein Trio aus Wiesbaden. Die drei bringen den Boogie Woogie ins Spiel mit einem Titel von Duke Ellington: „Jumpin Punkins“. Und van den Valentyn, Spross einer alten Kölner Bürgerfamilie mit Wurzeln in den Niederlanden, begeistert die Leute mit seinen Läufen auf dem Piano.
Er darf sitzenbleiben, als „Mojo“ Kilian und Bernd Simon wieder dazustoßen und jetzt als „Matchbox Bluesband“ weiterspielen. Diese Formation ist seit mehr als 30 Jahren eine feste musikalische Größe auf deutschen Bühnen. „It aint me, baby!“ bringt großartige Soli, auch von Gitarrist Simon.
Und dann lässt „Mojo“ mit der Blues Harp einen Zug abfahren, erst langsam, dann immer schneller. Großer Beifall.
Das Publikum hat nicht lange gezögert, um sich für diesen Abend zugunsten der Altenhilfe zu entscheiden: Binnen einer Woche waren die Sitzplätze in der Katharinenkirche ausverkauft. Und die zusätzlichen Impulse durch die neuen Bands haben die Leute begeistert.
Aber nach der Pause gibt es dann die von den Zuhörern lang erwartete Wiederbegegnung mit Musikern, die schon lange die Altenhilfe-Konzerte prägen. „FR All Stars“ hat Leiter Bernd K. Otto diese Formation genannt, die mit dem programmatischen Titel „Back home again in Indiana“ die Bühne betritt.
Hier sind dann zwei dabei, die viele noch von den „Red Hot Hottentots“ kennen: der Schlagzeuger und Mitbegründer der Band, Horst Buchberger, und Jörg Kuhfuß am Sousaphon. Klarinettist Danyel Nicholas ist aus Wiesbaden gekommen und natürlich Wilson de Oliveira, früher lange Zeit Mitglied der HR-Bigband.
Und als sie „Honeysuckle Rose“ spielen und schließlich den Klassiker „Creole Love Call“ von Duke Ellington, schließt sich der Kreis zu den früheren Konzerten der Altenhilfe.
Draußen vor der Kirche ist inzwischen längst die Nacht angebrochen. Und allenthalben suchen sich Obdachlose rund um die Hauptwache gerade einen halbwegs geschützten Platz für die Nacht, breiten Decken aus, streifen ihre Rucksäcke mit den wenigen verbliebenen Habseligkeiten ab.
All dies geschieht mitten im Zentrum der so reichen Stadt Frankfurt. Claus-Jürgen Göpfert