Olga T. lebt seit zwei Jahrzehnten auf 40 Quadratmetern. Sie muss im Monat mit 300 Euro auskommen. Arztbesuche kann sie sich nicht leisten.
„Hier in Deutschland konnte ich nicht Fuß fassen“ , sagt Olga T. Und: “ In Rumänien habe ich alles verloren.“
Als Spätaussiedlerin ist die heute 85-Jährige im Jahre 1977 nach Wiesbaden gekommen. Längst sind alle Brücken zu Verwandten in Graz und dem Heimatland Rumänien abgebrochen, haben sich Armut und Alleinsein eingestellt. „Aber“ , so T., „ich will mich nicht fallen lassen.“
Seit fast zwei Jahrzehnten lebt sie auf 40 Quadratmetern in einer Altenwohnanlage und muss mit rund 300 Euro im Monat auskommen. Zu der Rente von 794 Euro kommt eine Grundsicherung von 113 Euro – auf der Ausgabenseite beträgt alleine die Miete schon 466 Euro. „Am Ende des Monats ist kein Geld mehr für Lebensmittel da.“
Obst könne sie sich generell nicht leisten, versuche aber dennoch, sich weitgehend gesund zu ernähren, berichtet sie. Auf Arztbesuche wird trotz 70-prozentiger Schwerbehinderung verzichtet – „ich kuriere mich selbst“ .
Das Leben der in den Karpaten Aufgewachsenen als wechselhaft zu bezeichnen, wäre schmeichelhaft umschrieben. Olga T. erzählt von dem 30 Jahre währenden Berufsleben in Bukarest, der Karriere als „Finanzbuchhalterin bei der Handelskammer“. Erwähnt das „Apartmenthaus“, welches der Vater ihr vererben wollte – das aber „vom Staat ohne Ausgleich weggenommen“ worden sei.
„Damals war ich mit einem Juden verheiratet, habe geliebt.“ Als der Ehemann auswandern möchte, zerbricht die Ehe. „Auf Anweisung des Systems musste er sich scheiden lassen“, erzählt sie.
Nach ihrem Rauswurf aus dem rumänischen Ministerium – „weil ich Verwandte im Westen hatte“ – bleibt der Frau nur der Weg nach Deutschland, wo bereits ihre Mutter lebt. Dort ist sie mit einem Male schlechter gestellt, wechselt von der Ladenkasse ins Büro und retour. Sie heiratet erneut, fürchtet sich irgendwann vor dem Ehemann, trennt sich schließlich. „Auf Unterhalt habe ich verzichtet.“
Da Kinder und Freunde fehlen, trübt sich die Welt von Olga T. ein. Seit zwei Jahren wird die 85-Jährige von der FR-Altenhilfe unterstützt. Da vor kurzem der Fernseher kaputt gegangen ist, kommt die aktuelle Gabe zum richtigen Zeitpunkt. „Und ich muss immer etwas Geld zum Einteilen parat haben.“
Mit Ankunft der Adventswochen wird die kleine Wohnung – „wie in jedem Jahr“ – wieder mit Kerzen und Lichtern geschmückt. Aus dem Radio tönt die geliebte Musik klassischen Zuschnitts, auf Band sind Gebete und Lieder gespeichert. „Ich bin eine fromme Christin, wurde orthodox getauft.“
Olga T. behauptet sich weiter mit ihrem zähen Willen: „Auch im Alter will ich mich nicht abhängig machen.“ Olaf Velte