Im vergangenen Jahr ist einer der Söhne an Corona verstorben. Von seinen bescheidenen Geldmitteln bezahlt Berthold Sch. derzeit noch dessen Grabstätte ab. „Mir bleiben etwa 200 Euro im Monat“, sagt ein Mann, der im kommenden Februar 69 Jahre alt wird und eine Reihe von Schicksalsschlägen hinter sich hat.
Trotz einer Mini-Rente und Grundsicherung „komme er gut klar“, kaufe stets Sonderangebote auf Vorrat ein und koche für sich selbst. Seit langem ist der Vater von 19 Kindern krebs- und zuckerkrank, muss täglich acht Mal Insulin spritzen und mit teuren Arzneimitteln sein Überleben sichern. „Aber ich bin ein zäher Hund.“ In Sachsenhausen bewohnt Sch. anderthalb Zimmer – „560 Euro beträgt die Miete“ – in einem Hochhaus.
„Als Kind einer Roma-Familie bin ich dem Brauchtum gemäß unter einem Wohnwagen zur Welt gekommen.“ Aufwachsend in Hamburg, bleibt die Tradition für lange Zeit maßgebend. Nie habe er, so erzählt Berthold Sch., eine Schule besucht, stattdessen Lesen und Schreiben bei einer Missionsschwester gelernt. Der Wohnwagen ist sein Zuhause, der Marktstand der Mutter – „Obst und Gemüse“ – sein erster Arbeitsplatz.
Kaum ins Erwachsenenalter eingetreten, wird das Handwerk des Scheren- und Messerschleifens zur Profession. Das Reisen auf drei Achsen stellt der selbstständig Wirkende schließlich ein, um in Mannheim ein Restaurant zu betreiben. „Dort hat meine aus Spanien stammende Tante gekocht.“
Noch „vor Einführung des Euro“ verkauft Sch. die Lokalität, sieht sich aber unversehens einer drastischen Steuerschuld gegenüber. „Mein damaliger Berater hatte mein Geld veruntreut – ich habe eingenommenes Geld dann in die Rückzahlung gesteckt.“
Die berufliche Eigenständigkeit lässt den Umtriebigen schließlich als armen Mann zurück: „Es war blöd, nie für die Rente einzuzahlen.“ Weil seine zweite Ehefrau in Frankfurt wohnt, wird die Stadt am Main zum neuen Lebensmittelpunkt. Zwölf Jahre ist es nun her, dass der Tod die eheliche Partnerschaft beendet hat. Dem 68-Jährigen ist eine große Familie mit 16 Enkeln und 9 Urenkeln geblieben.
Dennoch sind Besuche rar, Kontakte werden zumeist telefonisch gehalten. „Die Kinder sind ja in ganz Deutschland verstreut und beruflich fest eingebunden.“ In Frankfurt kenne er zwar viele Leute, gönne sich aber nur selten ein Treffen im Café. Kommunikativ, wie er ist, hält ihn das Lebensmotto aufrecht: „Nur nicht eingraben!“
Dass es die Altenhilfe gibt, macht Berthold Sch. sehr froh. „Da kann ich mir auch einmal Winterbekleidung leisten.“ Gerade habe er sich ein neues Sofa bestellt.
Für den Mann, der die Dialekte der Sinti und Roma fließend beherrscht, ist die Adventszeit eine Phase des Päckchenpackens. Was die Nachkommen erfreuen soll, bedarf guter Vorplanung. „Dafür lege ich immer ein bisschen Geld zurück.“ Olaf Velte