Für Carl H., der einst die Ferne kannte, ist seit Jahren die Welt sehr begrenzt – nicht nur wegen seiner schweren Augenerkrankung, wegen der er nur noch über zwei Prozent Sehleistung verfügt.
Die meiste Zeit ist er allein in seiner kleinen Wohnung, sein Dauergast ist die Altersarmut. Ein langer Auslandsaufenthalt und spätere Berufsunfähigkeit wegen gesundheitlichen Problemen in den Beinen sind die Gründe, warum der ehemalige Koch heute mit der Grundsicherung im Alter zurechtkommen muss.
H. kam in Berlin auf die Welt. Er blieb ein Einzelkind. „Meine Eltern haben sich nach dem Krieg scheiden lassen. Ich kam zu meinem Vater“, erzählt der 83-Jährige. Die Mutter sei wieder nach Frankfurt zurückgegangen.
Nach der Volksschule absolvierte H. eine Ausbildung zum Koch, und er hatte offenbar ein gutes Gespür im Umgang mit Lebensmitteln, wie die Stationen seiner beruflichen Walz zeigen. „Ich war im Berliner Hotel Kempinski, in einem Haus im Montreux und zuletzt in der Küche eines bekannten Frankfurter Hotels“, sagt H. „1967 habe ich geheiratet, jedoch war die kinderlose Ehe bereits sieben Jahre später geschieden“, sagt der Senior.
Für H. begann damit eine neue Lebensphase. „In Thailand eröffnete ich eine Diskothek und war dort in der Immobilienbranche tätig“, erzählt er. „Nach 17 Jahren hatte sich alles erledigt.“ H. siedelte nach Frankfurt über, wo er ein kleines Lokal betrieb. Das berufliche Glück stellte sich aber auch dieses Mal nicht ein. Eine Erkrankung im Bein habe ihn zudem gezwungen aufzugeben.
H. musste Hartz IV beantragen und muss heute in Altersarmut leben. „Ich komme so einigermaßen über den Monat“, sagt er. Das Geld reiche für Lebensmittel, aber auch nicht für mehr. Wegen seiner schweren Augenerkrankung, unter der er seit sieben Jahren leidet, kann er allein die Wohnung nicht mehr verlassen. Er sei zu 90 Prozent schwerbehindert.
„Das Bild im Fernseher kann ich nur noch schemenhaft erkennen. Lesen ist sehr anstrengend und geht nur mit einem Vergrößerungsgerät, das ich von der Krankenkasse erhalten habe“, beschreibt H. Ein Bekannter helfe ihm beim Einkaufen. Eine Putzfrau, die einmal in der Woche komme, halte die Wohnung in Ordnung. „Gelegentlich besuchen mich ein, zwei Bekannte. Dann quatschen wir ein bisschen, um auf andere Gedanken zu kommen.“
Seit dem Jahr 2016 erhält der Senior zu Ostern und zu Weihnachten eine Zuwendung von der FR-Altenhilfe. „Jedes Mal freue ich mich über das Geld, das mir einige Anschaffungen erlaubt“, sagt H. Zuletzt sei es eine neue Matratze gewesen, dieses Mal wolle er mit dem Geld seine alte Mikrowelle ersetzen, nachdem diese „wegen eines Megakurzschlusses im Haus“ ihren Geist aufgegeben habe. Detlef Sundermann