Im Krieg geboren zu werden, ist ein schlechter Start fürs Leben“, sagt Traudel R. (Name geändert).
Die 78-Jährige sagt dies aus eigener tragischer Erfahrung. „Meine Eltern waren beide 19 Jahre alt und konnten wegen des Kriegs nicht mehr heiraten“, sagt R. Einen Monat vor ihrer Geburt sei der Vater auf einem Schlachtfeld in Frankreich umgekommen.
Der Krieg brachte auch für R. selbst erhebliche gesundheitliche Folgen, die nicht ohne Auswirkung in ihrem Erwachsenenleben waren. „Ich war damals viel zu dünn, meine Füße und Hände sahen deshalb riesig aus“, sagt R. mit einem Lächeln. Wohl eine Folge der unzureichenden Ernährung, vermutet sie. Schon bald gesellte sich eine Lungenkrankheit hinzu. Für eine Kur musste sie sogar die Frauenfachschule unterbrechen, die sie nach der Volksschule absolvierte.
Bei einem Modehaus machte Traudel R. eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. „Ich war eine unheimlich gute Verkäuferin“, sagt R. Allerdings ging ihrem ersten Arbeitgeber dennoch wirtschaftlich die Puste aus. Auch andere Unternehmen, in denen R. schnell eine neue Anstellung fand, ereilte ein ähnliches Schicksal trotz sogenannter Wirtschaftswunderzeit. „Es waren halt keine ganz großen Geschäfte“, sagt Traudel R.
Als R. jedoch in ihrer Geburtsstadt Nürnberg von einer damaligen Fotokaufhauskette eingestellt wurde, war sie plötzlich bei den Großen. „Schon bald war ich auch bei Messen und bei Neueröffnungen von Filialen“, sagt die Seniorin. Und als eines Tages in Wiesbaden ein Laden eröffnet wurde, blieb R. und arbeitete von nun an dort.
In der Kurstadt habe sie ihren Freund kennengelernt. Die Beziehung sei jedoch schon bald Historie gewesen. Ehe und Kinder gab es danach für R. nicht. Wiesbaden ist R. jedoch treu geblieben.
Ihren Beruf musste R. einige Jahre vor der Rente aufgeben. „Durch das viele Stehen habe ich mir die Gelenke kaputt gemacht“, sagt sie. Beide Hüften und ein Knie seien schon ausgetauscht worden. Die Prothesen bereiteten ihr nach Jahren nun Probleme und verursachen Schmerzen, heißt es.
Neben den gesundheitlichen Einschränkungen erleidet R. auch finanzielle. Das kleine Gehalt einer Verkäuferin und der vorzeitige Renteneinstieg wegen Arbeitsunfähigkeit lassen R. heute lediglich eine Grundsicherung im Alter. „Daher bin ich so dankbar, dass es die FR-Altenhilfe und die vielen Spender gibt“, sagt Traudel R.
Seit 2009 erhält R. zu Ostern und Weihnachten eine Zuwendung. So habe sie sich von dem Geld eine Matratze gekauft, die sie sich sonst hätte nicht leisten können. Detlef Sundermann