Michael Quast in seinem Element auf der Volksbühne – ein „stoltzer“ Tag auch für die FR-Altenhilfe. (Bild: Christoph Boeckheler)
Der Montagnachmittag in der Frankfurter Volksbühne war in vielerlei Hinsicht eine Premiere. Zunächst für die Altenhilfe der Frankfurter Rundschau. Eine Veranstaltung im Haus von Intendant Michael Quast hatte es zuvor noch nie gegeben.
Nach der durchaus gelungenen Premiere fragt man sich fast: Warum eigentlich nicht? Auf der anderen Seite war der Gang zur Volksbühne auch für viele Menschen im Publikum ein absolutes Novum. Nur die wenigsten waren mit dem Haus im Großen Hirschgraben und der dargebotenen Kunst vertraut.
So ging es auch einer Frankfurter Altenhilfe-Bezieherin. „Ich bin seit 1986 in Frankfurt, aber zum ersten Mal in der Volksbühne“, erzählt sie im Vorfeld des Theaterstücks. Sie steht im Foyer des Hauses, welches gut gefüllt ist. Es gibt Getränke und angeregte Gespräche.
Sie sei bei der Schifffahrt zum Schloss Philippsruhe im Juli auch dabei gewesen, erzählt die Dame weiter. Die frische Luft habe sie genossen und fast die ganze Zeit an Deck verbracht. Die Volksbühne heute sehen zu können, sei faszinierend. Eigentlich sei sie ja nicht der Typ dafür, anderen zuzuschauen, wie sie etwas machen. „Ich mag es, selber was zu machen“, sagt die Frau, die Akkordeon und E-Piano spielt.
Die gut 270 geladenen Gäste, darunter auch Senior:innen aus Pflegeeinrichtungen, verteilen sich auch im unteren Bereich des Hauses. Dort sitzt auch ein 78 Jahre alter Mann aus Enkheim, der seit 2012 Altenhilfe bekommt. Auch er war noch nie zuvor in der Volksbühne gewesen. „Ich wusste nicht mal, wo es ist“, verrät er. Gefunden hat er den Schauspielort trotzdem und freut sich nun auf die übrigen Anwesenden. „Mal sehen, wer noch da ist.“
Ein paar Meter weiter sitzen eine Frau und ein Mann an einem der Tische. Beide kennen sich aus einer Seniorenwohnanlage in Nieder-Erlenbach. Dem Mann, seit 1937 in Frankfurt beheimatet, ist die Volksbühne durchaus bekannt. Er war bereits hier. „Da lebte aber Liesel Christ noch.“
Seine Begleiterin ist zum ersten Mal hier. „Ich lasse mich überraschen.“ Ein Theaterstück sei ja immer erfrischend. Ob sie aber alles verstehen wird? Die eigentlich aus Bayern stammende Frau ist sich unsicher. Diese Sorge wird im Stück zum großen Teil zerschlagen – den Ausführungen von Michael Quast und seinem Ensemble kann man auch ohne Frankfurter Wörterbuch gut folgen.
Bevor sich der imaginäre Vorhang jedoch hebt, erzählt FR-Chefredakteur Thomas Kaspar ein paar einleitende Worte. Und Ulrike Soeffing, Vorstandsvorsitzende der CARLS STIFTUNG, holt sich einen wohlverdienten Applaus ab, denn den vergnüglichen Nachmittag im Großen Hirschgraben verdanken die Anwesenden auch der finanziellen Unterstützung der Stiftung.
Doch dann geht das Licht im Saal aus und die Show auf der Bühne los. Friedrich Stoltze steht auf dem Programm. Des Frankfurters (und der Frankfurterin) liebster Mundartdichter hat nicht nur manch pfiffiges Verslein verfasst, sondern war zeitlebens auch ein Verfechter der Demokratie, die es zu jener Zeit in Deutschland nicht gab.
Stoltze war nicht nur Zeitzeuge der Frankfurter Nationalversammlung 1848 (passend im Jubiläumsjahr), sondern erlebte auch so mache Wirtschaftskrise samt Inflation. Parallelen zur heutigen Zeit sind durchaus Quasts Intention. Und so erfreuen Gedichte à la „Die Blutblase“ und „Die Geschichte der 30 Gulden“ sowie zahlreiche Musikeinlagen das Publikum.
Um das Ganze zu verdauen, gibt es dann erst mal eine kurze Pause. Die Frankfurter Akkordeonspielerin bleibt noch auf ihrem Platz sitzen und denkt über das Gehörte nach. „Das ist so inspirierend“, sagt sie. Die Schauspielkunst der Profis auf der Bühne „bringen einen auf Vordermann“. Alles verstanden habe sie zwar nicht, doch das Dargebotene sei faszinierend.
„Etwas habe ich mir auch aufgeschrieben“, erklärt sie. Es stammt aus dem Steckbrief, den Stoltze über sich selbst verfasste. „Alter: Habe ich nicht, weil ich noch jung bin.“ Das möchte sie künftig verwenden, wenn wieder jemand nach ihrem Alter fragt.
Ein Mann in der zweiten Reihe kann schon Volksbühnen-Erfahrung vorweisen. Obwohl er schon Stücke kennt, sagt er: „Es ist immer was Neues dabei.“ Mit dem Verständnis der Mundart habe er als ehemaliger Bornheimer Bub keine Probleme. „Ich verstehe fast alles.“ Er gibt aber zu, dass man schon genau hinhören müsse. Stoltze sei immer für einen Spruch gut. Genau deshalb gefalle ihm das Programm sehr. Steven Miksch