Bild: Renate Hoyer

„Im Alter von 23 Jahren habe ich beschlossen, ich haue von zu Hause ab und gammele erst einmal herum“, sagt Anna B. (Name geändert) im kecken Ton.

„Ich war ein Kind der 68er-Generation“, ergänzt sie. Als sie 13 Jahre alt gewesen sei, seien die Eltern aus dem Norden nach Frankfurt gezogen und damit war B. mitten im Zeitgeschehen.

Nach der wilden Zeit kam eine Ehe und das Hausfrauendasein. Den Mann, den Anna B. fand, war keiner fürs Leben. Als ein Tyrann habe er sich entpuppt. „Ich war von Anfang an unglücklich“, sagt sie über die Ehe. „1974 habe ich ihn rausgeschmissen, von da an ging es mir gleich am nächsten Tag gut“, sagt sie mit einem Lachen.

Nur mit der Mittleren Reife in der Tasche stürzte sich die nun Alleinerziehende in die Arbeitswelt. „Alles Mögliche habe ich gemacht. Ich kann alles“, sagt sie. Für einen Ölkonzern habe sie etwa Schmierstoffe an Industrie und Gewerbe verkauft. Aber dann sei eine weitere private Zäsur gekommen.

„Die Kinder waren aus dem Haus und ich wollte etwas Verrücktes machen“, sagt Anna B. Mit 20 Umzugskartons sei sie nach Spanien in die Nähe von Freunden gezogen. Nach einem halben Jahr wurde sie jedoch vom Heimweh gepackt.

Zurück in Bad Soden, wo sie noch heute lebt, verdiente Anna B. ihren Lebensunterhalt als Bauberaterin in einem Architektenbüro. Allerdings machte sich schon zu dieser Zeit ein schweres gesundheitliches Problem bemerkbar. „Ich habe eine seltene Muskelerkrankung“, sagt sie.

Mit 63 Jahren habe sie in Rente gehen müssen. Heute ist sie 73 Jahre alt und hat Pflegestufe drei. Die Arbeitsjahre seien nicht ausreichend gewesen, um eine auskömmliche Alterssicherung zu haben, räumt B. ein. Sie benötigt Grundsicherung und das Geld sei knapp.

„Es gibt Monate, da geht es gut, und welche, da geht es weniger gut“, sagt Anna B. Sie sei den Spendern und der Altenhilfe der Frankfurter Rundschau sehr dankbar dafür, dass sie – in diesem Jahr zum ersten Mal – eine finanzielle Zuwendung erhalte.
„Von dem Geld kaufe ich mir vorrangig Kleidung“, sagt B.

Wenn möglich, solle auch etwas fürs Taxi übrig bleiben, etwa um ihre Geschwister zu besuchen. „Durch meine schwere Gehbehinderung und den Rollator kann ich die S-Bahn kaum noch nutzen“, sagt sie, „jetzt bin ich in Bad Soden eingesperrt.“ Doch: „Ich habe das große Glück, dass ich trotzdem psychisch stabil geblieben bin“, sagt Anna B. abschließend. Detlef Sundermann